Müde im Cockpit

Eine aktuelle, EU-weit durchgeführte Umfrage zeigt  Mängel im Sicherheitsmanagement auf.

Sekundenschlaf im Cockpit, unzureichende Ruhezeiten zur Verhinderung kumulativer Ermüdung, Ausdehnung der Flugdienstzeiten über das gesetzliche Maximum hinaus: Ein neu veröffentlichter Bericht zeichnet kein gutes Bild vom Risikomanagement bei Ermüdung (Fatigue Risk Management – FRM) in der europäischen Luftfahrt. Der Bericht “A fatigue survey of European Pilots” des Beratungsunternehmens für Flugsicherheitsmanagement Baines Simmons analysiert die Antworten von fast 6.900 europäischen Piloten und Pilotinnen aus 31 Ländern. Der Bericht zeigt nicht nur signifikante Indikatoren für Müdigkeit im Vorfeld der hektischen Sommerzeit auf, sondern auch strukturelle Mängel im Umgang der europäischen Fluggesellschaften mit dem Müdigkeitsrisiko.

Drei von vier Pilot:innen erlebten in den letzten vier Wochen mindestens einen Sekundenschlaf während des Betriebs eines Flugzeugs – und ein Viertel berichtete von fünf oder mehr Sekundenschlafsituationen. Darüber hinaus gaben 72,9 % der Pilot:innen an, dass sie sich zwischen den Einsätzen nicht ausreichend von der Müdigkeit erholen konnten. Weiters zeigt der Bericht einen besorgniserregenden Trend bei der Verlängerung von Flugdienstzeiten auf: fast jeder fünfte Pilot verlängerte seine/ihre Flugzeit nach eigenem Ermessen (Commander’s Discretion, CD) innerhalb der letzten vier Wochen zweimal oder öfter. Weiters äußerten mehr als 60 % der Piloten und Pilotinnen in unterschiedlichem Maße Bedenken hinsichtlich möglicher negativer Konsequenzen, wenn sie sich weigern würden, einen Flugdienst im Rahmen der CD zu verlängern (hier geben österreichische Cockpit-Crews etwas positivere Antworten).

Der Baines-Simmons-Bericht erscheint nur zwei Monate nachdem die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) vor dem Risiko einer erhöhten Müdigkeit des Flugpersonals während des Sommers gewarnt und die Fluggesellschaften aufgefordert hatte, ausreichende Puffer einzuplanen und sich nicht darauf zu verlassen, dass Pilot:innen ihre maximale Flugdienstzeit systematisch verlängern. Die Ergebnisse des Berichts weisen jedoch auf eine andere Realität hin. Hinzu kommt, dass sich die Ergebnisse auf einen Zeitraum vor und zu Beginn der Hochphase des Sommerbetriebs beziehen (der Fragebogen lief vom 1. – 22. Juli 2023), d.h. es ist davon auszugehen, dass Ergebnisse im August/September kaum besser, sondern eher noch negativer ausfallen würden.

Der Bericht zeigt auch eine andere, eher strukturelle Dimension, die nicht nur während des Sommerbetriebs auftritt: Ein Beispiel dafür, wie das Risikomanagement bei Müdigkeit nicht so effektiv umgesetzt wird, wie es sein sollte, ist das Müdigkeits-Reporting. Nur 10,8 % der Pilot:innen gaben an, dass ihre Fluggesellschaft aufgrund von Müdigkeitsmeldungen betriebliche Änderungen zur Verbesserung der Sicherheit vorgenommen hat, nur 13,2 % wählten die Option “Das Unternehmen kommuniziert gut mit der Besatzung über Müdigkeitsmeldungen”, und nur 12 % gaben an, dass sie dem Meldesystem ihrer Fluggesellschaft vertrauen (in Österreich 21,8 %). Wie Baines Simmons bemerkt: “Ohne ein wirksames Meldesystem ist es unwahrscheinlich, dass die Fluggesellschaft ein genaues Bild von der Müdigkeit im Betrieb hat, was ihre Fähigkeit einschränkt, das Müdigkeitsrisiko durch die Umsetzung wirksamer Abhilfemaßnahmen zu bewältigen.”

Ergänzung:

Der Bericht von Baines Simmons basiert auf Daten, die im Rahmen einer europaweiten, vom Europäischen Rechnungshof geförderten Umfrage unter Pilot:innen von Fluggesellschaften im Zeitraum vom 1. bis 22. Juli 2023 erhoben wurden. Bei mehreren Fragen wurde ein vierwöchiger “Rückblick” zugrunde gelegt, so dass nicht der Höhepunkt des Flugbetriebs, sondern das “Hochfahren” auf die geschäftige Sommerreisesaison (d.h. seit Anfang Juni) erfasst wurde. Die Teilnahme an der Online-Umfrage war freiwillig, während die Fragen – die in Zusammenarbeit zwischen der European Cockpit Association (ECA) und Baines Simmons entwickelt worden waren – obligatorisch waren. Die in dem Bericht enthaltene Analyse wurde von Baines Simmons durchgeführt, ebenso wie die Ausarbeitung von Schlussfolgerungen und Empfehlungen.

Der Baines Simmons Bericht

Summer Disruptions – Fatigue Reporting

Sommer-(Hoch)betrieb bei den Airlines. Volle Dienstpläne können (in Kombination mit Verspätungen oder Verzögerungen) zu Fatigue führen. ECA veröffentlicht einen Newsletter (auf LinkedIn) zum Thema und macht auch auf der Website auf das ‘Confidential Reporting Sceme’ bei EASA aufmerksam.

Viele Pilotinnen und Piloten sind sich nicht bewusst, dass es diese Reporting Möglichkeit gibt. Das CRS geht dabei weiter als die üblichen mandatory reporting Programme bei den Airlines, bietet aber dennoch Schutz für den Berichtenden.

Zwischenfälle oder Unfälle verhindern – ein wesentlicher Baustein dabei ist das Occurence Reporting.

Summer Flying Checklist

Summer Disruption Checklist – ‘Defensive Flying’ – Edition 2023

Unser europäische Dachverband ECA hat diese Checkliste zusammengestellt. Sie behandelt sicherheitsrelevante Themen, die für Crews auch in diesem Sommer wieder relevant sein könnten. Ein erhöhtes Verkehrsaufkommen, die Zunahme von Verspätungen und damit auch längere Arbeitszeiten bedeuten auch eine höhere Belastung für die Besatzungen.

Die Checkliste ist kein Ersatz für firmeneigene Procedures oder Checklisten. Sie ist ein Werkzeug für den richtigen Umgang mit Müdigkeit und dient ausschließlich dazu, sichere, effiziente und verlässliche Flüge zu gewährleisten. Die Checkliste ist eine Ergänzung zum EASA Safety Information Bulletin (SIB – 2023-05).

Wer ihn noch nicht ausgefüllt hat: hier geht es zum Summer Fatigue Survey, er läuft noch bis zum 22. Juli.

Wet-Lease – Recherche rund um eine gängige Praxis in der Luftfahrt

ECA hat recherchiert und prangert in ihrer jüngsten Aussendung die Beschäftigungsverhältnisse bei zahlreichen Wet-Lease Operations an. Bei Wet-Lease – auch bekannt unter ACMI (Aircraft, Crew, Maintenance, and Insurance) leasing – übernimmt eine andere Fluggesellschaft den Transport von Passagieren, als jene, bei der das Ticket gekauft wurde. Diese Praxis ist innerhalb der EU legal. Während immer mehr Passagiere darüber klagen, dass sie so vorab nicht mehr wüssten, mit wem sie überhaupt fliegen würden, beschäftigt sich ECA mit den Arbeitsbedingungen der Pilotinnen und Piloten der geleasten Maschinen.

Es geht um atypische Beschäftigungsverhältnisse und alle sich daraus ergebenden Probleme. ECA will, dass betroffene Pilotinnen und Piloten ihre Rechte kennen. Diese und andere wichtige Informationen zu Wet-Lease findet man auf dieser Seite: https://stories.eurocockpit.be/wet-leasing-in-europe/index.html

Ein Dashboard, auf dem Wet-Lease betrachtet werden kann (Aufzeichnung von März – Mai, diese Operations ändern sich ständig), findet man hier: https://public.tableau.com/app/profile/europeanpilots/viz/ECA-WetleasinginEuropev2/COMBINED

ECA fordert die nationalen Aufsichtsbehörde dazu auf, Kontrollen durchzuführen, um sicher zu stellen, dass die Crews richtig beschäftigt sind, das Arbeitsrecht korrekt angewandt wird und die Lohn- und Sozialabgaben entsprechend entrichtet werden. Atypische Beschäftigung ist für viele Betroffene eine Belastung und das wiederum schadet der Flugsicherheit.

Aircrew Fatigue im Sommer – Umfrage

Aircrew Fatigue im Sommer – Umfrage läuft vom 1.- 22. Juli 2023

Dienstplan-Stabilität, Ermessensspielraum des Kapitäns, Ermüdung … Schlagworte der Pilot-Community in diesem Sommer. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) hat bereits darauf hingewiesen, dass die Ermüdung des Flugpersonals aufgrund der zu erwartenden Störungen im Sommer 2023 ein mögliches Sicherheitsrisiko darstellt.1) 

Deshalb bitten dich, diese Umfrage auszufüllen. Sie wird helfen, ein besseres Verständnis für das Ausmaß der Müdigkeit in der europäischen Luftfahrt in diesem Sommer zu bekommen – und dafür, wie sie von den Fluggesellschaften gehandhabt wird.  

Die Umfrage ist anonym, dauert 4-5 Minuten und kann bis zum 22. Juli 2023 ausgefüllt werden. Sie wurde in Zusammenarbeit mit Fatigue Risk Management Experten von Baines Simmons entwickelt.

Zur Umfrage

Liebe Grüße

Dein ACA-Team

ACA/AATCA Profi Lounge 2023

Am 28. Juni 2023 ist es wieder soweit!

ACA und AATCA laden bereits zum 11. Mal gemeinsam zur legendären Profi Lounge.
Ungezwungener Austausch, Zeit mit Kolleg:innen bei feinem Catering und nützliche Tipps von Mentalexperte Manuel Horeth bei hoffentlich sommerlichen Temperaturen in der Strandbar Herrmann stehen auf dem Programm.

Die Teilnahme ist – wie gewohnt – für Mitglieder kostenlos!
Die kostenlose Teilnahme bei diesem Event ist nur einer von vielen Vorteilen, die bei einer Mitgliedschaft auf dich warten.
Und aktuell ist die Mitgliedschaft im ersten Jahr für alle, die sich anmelden gratis!

Wir freuen uns auf dich!

ACA schließt sich globaler Kampagne gegen RCO an

ACA schließt sich globaler Kampagne der Pilotenverbände gegen Pläne zum Fliegen mit einer reduzierten Besatzungsstärke im Cockpit an. Am 16. Mai veröffentlichte ACA eine Presseaussendung, in der klar Stellung bezogen wird.

Das Verkehrsflugzeug ist das sicherste Verkehrsmittel der Welt – damit könnte jedoch bald Schluss sein, wenn es nach den Plänen einiger Hersteller und Airlines geht. Zur Original-Aussendung.

Ehrung bei IFALPA Conference für ACA

Bei der diesjährigen IFALPA Conference (2.-4. Mai 2023) wurde unser Ehrenmitglied, Capt.(ret.) Peter Beer, MSc mit dem „IFALPA Scroll of Merit“ ausgezeichnet. Dieser Award wird an Personen verliehen, die den Zielen der IFALPA mit Ehre, Loyalität und Auszeichnung gedient haben. 

Peter hat im Laufe seiner Luftfahrtkarriere mit zahlreichen Aktivitäten, u.a. im Rahmen von IFALPA und ECA  – als AAP Delegate, Vice-Chairman AAP Committee, Mitglied der Just Culture Task Force, Just Culture Prosecutor Expert, um nur einiges zu nennen – positiv zur Verbesserung der Sicherheit in der Luftfahrt beigetragen. Er war als Luftfahrtexperte in Gremien der ICAO tätig und war an der Entwicklung des Annex 19 (Safety Management) beteiligt. Schließlich führte Peter von 2012 bis 2017 die Austrian Cockpit Association als Präsident und holte zahlreiche internationale Meetings nach Wien. Weiters wurden Veranstaltungen mit der AATCA (Verband österreichischer Air Traffic Controller) etabliert und mit dem VÖFL, dem Dispatcher-Verband, wurden enge Kontakte geknüpft.

Wir sind sehr stolz und freuen uns sehr mit Peter über diese Auszeichnung!

ACA bei IFALPA Conference

Vom 2.-4. Mai fand die diesjährige IFALPA Conference in Montreal statt. ACA war durch Andreas Strobl und Fabio Saber vertreten. Ein inhaltlicher Schwerpunkt war die Kampagne rund um RCO (Reduced Crew Operation).

YOUR SAFETY STARTS WITH TWO

Die Bestrebungen der Luftfahrtindustrie, einen Piloten im Cockpit einzusparen, schreiten weiter voran. Mittlerweile befassen sich Airlines, Flugzeughersteller und EASA mit konkreten Fragen zur Zulassung solcher Cockpitkonzepte. Der Weltpilotenverband IFALPA und unsere europäische Dachorganisation ECA haben – ebenso wie ACA – erhebliche Sicherheitsbedenken bei der Einführung einer Reduced Crew Operation (RCO). Die Luftfahrtindustrie hingegen erhofft sich wirtschaftliche Vorteile.

Mehr über die Kampagne und weitere Highlights der Conference erfahren unsere Mitglieder in unserer nächsten Ausgabe der aca.info.

Zwei Tage lang trafen sich 23 Pilotinnen aus 10 Nationen in Mexico City. Trotz Jetlag und gravierendem Höhenunterschied kam es zu einem äusserst produktivem Austausch. Es kam unter anderem zu einer Überarbeitung schon publizierter Briefing Leaflets und einem gemeinsamen Brainstorming für zukünftige Position Papers. In einzelne Arbeitsgruppen  wurde des weiteren der Fokus auf Mentoring, Female Health, Maternity und Social Media gerichtet.

ASPA, unser mexikanische Schwesternverband lud am ersten Abend zu einer Schlossführung   – Bosque de Chapultepec -, dem ehemaligen Wohnsitz unseres österreichischem Kaiserbruders Maximilian.

 

Alles in Allem eine wirkliche gelungene Veranstaltung. Das nächste FPWG Meeting wird diesen November in Finland statt finden.